Was allein das Herz erkennt (German Edition) by Rice Luanne

Was allein das Herz erkennt (German Edition) by Rice Luanne

Autor:Rice, Luanne [Rice, Luanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426414491
Herausgeber: Verlagsgruppe Droemer Knaur
veröffentlicht: 2012-01-05T23:00:00+00:00


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Bevor der Morgen dämmerte, ging Martin den Flur entlang zu seinem und Mays Schlafzimmer. Er musste in wenigen Stunden los, war völlig übermüdet und erschöpft. Er hatte sich mit May versöhnen wollen, konnte aber nicht über seinen Schatten springen. Die Wut hatte ihn die ganze Nacht wach gehalten. Zuerst war er auf May wütend gewesen, weil sie sich weigerte, etwas auf sich beruhen zu lassen, was sie nie verstehen würde. Doch schon bald hatte er seine Wut an die richtige Adresse gerichtet, gegen seinen Vater, der ihn in seiner Kindheit verlassen hatte und nur in sein Leben zurückgekehrt war, um das Leben seiner Tochter zu zerstören.

May verstand das nicht.

Als er gesagt hatte, er müsse sie schützen, war es ihm ernst damit gewesen. Er hatte gelobt, sie zu lieben, zu ehren und zu behüten, und nach seiner Auffassung bedeutete das, sie von seinem Vater fern zu halten – ob er nun im Gefängnis war oder in Freiheit. Sie war zart und zerbrechlich, so mitfühlend und idealistisch. Sie glaubte tatsächlich, es bestünde eine Parallele zwischen einem zwölfjährigen Mädchen, das sich geweigert hatte, seinem Vater einen Abschiedskuss zu geben, und einem kampferprobten NHL–Veteranen wie ihm, der seinen Vater bis aufs Blut hasste.

Wenn Serge starb, würde er ihm keine Träne nachweinen. Ganz im Gegenteil, er wäre erleichtert, endlich von dieser Last befreit zu sein. Hass und Schuldgefühle waren eine schwere Bürde, die er jeden Tag mit sich herumschleppte. Martin hatte an die Decke des Gästezimmers gestarrt und sich gewünscht, dass May die Situation so akzeptierte, wie sie war. Er verlangte nicht, dass sie darüber glücklich war; es reichte, wenn sie ihn nicht mehr damit bedrängte.

Da ihn der Gedanke an sie nicht mehr losließ, hatte er schließlich den Mut aufgebracht, in ihr gemeinsames Schlafzimmer zu gehen. Er hoffte, dass sie nicht wieder von vorne anfing und wissen wollte, ob er seine Meinung geändert hatte. Weihnachten stand vor der Tür und vermutlich hatte sie die fixe Idee, den alten Mann im Gefängnis zu besuchen; aber das konnte sie sich aus dem Kopf schlagen, eher würde die Hölle gefrieren! Zitternd schlich Martin auf Zehenspitzen zum Bett.

Im Licht der Straßenlaterne, das durch das Fenster schien, sah er, dass sie das Gesicht zur Wand gedreht hatte. Ihre Schultern sahen angespannt aus und ihr Atem ging in kurzen Stößen, als sei sie wach.

»May?«, flüsterte er.

»Hallo.«

»Ich konnte nicht schlafen.«

»Ich auch nicht.«

Er stand reglos da, berührte ihr Haar. Sein Herz klopfte und er wartete darauf, dass sie fragte, ob er es sich anders überlegt hatte. Aber sie sagte nichts.

Sie drehte sich herum und breitete die Arme aus. Ihr Körper war warm, warm wie das Bett, als Martin unter die Laken schlüpfte. Er hielt ihre Hand, wusste, dass er bald los musste, eine ganze Woche weg sein würde, und fragte sich, warum sie ihre letzte gemeinsame Nacht wegen eines dummen Streits vergeudet hatten.

»Ich möchte nicht weg.«

»Ich bin trotzdem froh, dass du ins Bett gekommen bist.«

»Es schneit. Vielleicht wird der Flug ja gestrichen.«

»Hoffentlich.« Ihre Lippen brannten, als sie ihn küsste.



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